Vorbereitung der ersten großen Deportation aus Westfalen
Textquelle
Münster am 20.11.1941

Kurze Erläuterung

Nach dem Angriff auf die Sowjetunion im Sommer 1941 verschärfte das NS-Regime die Maßnahmen bezüglich der Verfolgung und Entrechtung der jüdischen Bevölkerung. Jüdinnen und Juden in den eroberten Gebieten wurden massenweise ermordet oder zur Zwangsarbeit in Konzentrationslager eingewiesen. Auch die vollständige Deportation der jüdischen Bevölkerung aus dem Reichsgebiet in Ghettos und Lager in Osteuropa wurde vorbereitet. Die Enteignung von Wohnungen und Eigentum der Deportierten zur Versorgung der restlichen Bevölkerung bzw. zur Finanzierung der Kriegskosten wurde dabei offen mit einkalkuliert. Ab dem 23. Oktober 1941 war jüdischen Menschen die eigenständige Emigration aus dem „Reichsgebiet“ verboten. Parallel begann die Vorbereitung von Deportationszügen auf Ebene der Gauleitungen und/oder der Polizeibezirke. Der erste große Transport aus Westfalen, dessen Planungsprozess aus diesem Protokoll hervorgeht, erfolgte am 12. und 13. Dezember 1941 aus den Gestapo-Bezirken Münster und Bielefeld.

Relevanz des Materials

Das vorliegende Protokoll zeigt deutlich auf, wie detailliert und penibel die Deportation der jüdischen Bevölkerung in Münster und andernorts geplant worden ist. Zahlreiche Ämter, Behörden und Institutionen wie Archive und Museen wurden miteinbezogen, wie nicht zuletzt aus der Teilnehmerliste hervorgeht, und haben somit aktiv an der Planung und Durchführung der Deportationen mitgewirkt.  Das Protokoll lässt sich in mehrere, inhaltliche Blöcke unterteilen. Anhand jedes dieser Abschnitte können verschiedene Aspekte der Verfolgung von Jüdinnen und Juden erarbeitet werden.

Im ersten Abschnitt wird vor allem die Enteignung der zu deportierenden Menschen thematisiert: Insbesondere die Enteignung monetärer Mittel wird hier akribisch beschrieben; so „müsse für jeden Juden ein Konto geführt werden, auf dem die Erlöse verbucht würden.“ Auch der Umgang mit Gegenständen wie Kunstwerken oder Büchern wird ausführlich dargestellt.

Die Frage nach der Verteilung jüdischen Wohnraums wird im zweiten Abschnitt thematisiert. Diese seien priorisiert den „Bombengeschädigten“ zu übergeben, wobei auch die Ansprüche der Stadt Münster an den Räumlichkeiten der „Max-Heindorf-Stiftung“ diskutiert werden. Gemeint ist die Marks-Haindorf-Stiftung in Münster, welche 1825 vom dem jüdischen Mediziner Alexander Haindorf mit dem Ziel gegründet wurde, eine Schule für jüdische und christliche Kinder aufzubauen sowie jüdische Lehrer:innen auszubilden, was aufgrund veränderter Gesetzeslagen 1928 jedoch eingestellt wurde. Darüber hinaus sollten gezielt handwerkliche Berufe bei Jüdinnen und Juden gefördert werden. Das in dem Protokoll erwähnte Schulgebäude wurde nach der Zerstörung der Synagoge als provisorischer Gebetsort und ab 1939 als sogenanntes „Judenhaus“ zur Isolation jüdischer Münsteraner:innen verwendet. Nach der Deportation der darin lebenden Menschen wurde es tatsächlich ab 1942/42 als Dienststelle des Reichssicherheitshauptamtes verwendet.

Der dritte Abschnitt befasst sich mit der eigentlichen Deportation – es handelt sich hierbei um zwei Transporte nach Riga und Minsk –, für die „vorläufig alle Juden“ eingeplant wurden. Nur drei Gruppen wurden für diese Aktionen zunächst ausgeschlossen. Nicht nur organisiert wird, was und wie viel die zu Deportierten mitnehmen durften – sondern auch, wie viel Geld pro Jüdin und Jude der Transportführer erhält.

Die darauf folgende Aufzählung fasst die Rollen der an der Deportation beteiligten Institutionen und Personen noch einmal zusammen – und zeigen mit aller Deutlichkeit auch auf, dass diese finanziell und materiell enorm von den Enteignungen und den Deportationen profitiert haben. Die Teilnahme der Finanzbehörden und die seitens der Stadt Münster vorgeschlagenen Maßnahmen zeugen zudem von der hohen Bedeutung der ökonomischen Verwertung jüdischer Vermögen.

In den letzten Absätzen werde weitere strukturelle Fragen der Deportation geklärt – vom Einsatz von Jüdinnen als Zwangsarbeiterinnen für die Stapo über die Erstellung der Liste der zu deportierenden Menschen und der dadurch frei werdenden Wohnungen bis hin zu die Verfügbarmachung von Benzin für die Deportation. Hieran zeigt sich nochmals die detaillierte Planung.

Dr. Franz Jungbluth / Andrea Lorenz / Mario Polzin

Lernort 

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