Kurze Erläuterung
Das Foto von 1936 zeigt tausende Teilnehmer des Gauparteitages 1936 in Gelsenkirchen. Die Männer tragen die Uniform ihrer Parteiformation, die Frauen tragen Kleider und mehrheitlich Hüte, sind also auch dem Anlass entsprechend festlich gekleidet. Laut der NS-Ideologie zählte der einzelne individuelle Mensch nichts, Bezugsgröße war das „Volk“. Wie der Reichsparteitag in Nürnberg waren die Gauparteitage genauestens geplante Großveranstaltungen. Sie waren eine Leistungsschau der formierten „Volksgemeinschaft“, die Wehrmacht marschierte auf, ebenso wie die Hitlerjugend oder Kapellen und Spielmannzüge. Durch die Teilnahme bzw. den Besuch der Veranstaltungen wurde das Gemeinschaftsgefühl und die Macht des NS-Regimes erlebbar, zugleich zeigt man die Treue zur NSDAP und zum Führer.
Ausgerichtet ist alles auf die Tribüne, wo die Führungsprominenz die Parade abnimmt. Das Foto diente dann auch zu Propaganda-Zwecken, die „Volksgemeinschaft“ war bereit, die Ziele des Führers umzusetzen. Die angetretenen NSDAP-Formationen wirken mit ihren Hakenkreuz-Fahnen wie die Teilnehmer einer religiösen Prozession. Dieser Eindruck wird durch den riesigen Reichsadler und die Hakenkreuze am Gebäude verstärkt, es sind „sakrale“ Symbole des NS-Regimes. Die NS-Ideologie erfüllt die Funktion einer Ersatzreligion, zumindest werden sakrale bzw. liturgische Elemente übernommen.
Auf dem Wildenbruchplatz wurde 1925 eine Ausstellungshalle gebaut, in den 1930er Jahren diente der Platz vor der Halle als Aufmarschgelände für die Massenchoreographien des NS-Regimes. Heute befindet sich auf dem Gelände die Hauptniederlassung des Landesbetriebes Straßenbau NRW und die Polizeihauptwache der Stadt Gelsenkirchen.
Relevanz des Materials
Ausgehend von dem vorliegenden Material können Schlüsselbegriffe wie „Volksgemeinschaft“ erarbeitet werden. Darüber hinaus wird deutlich wie sehr die nationalsozialistische Propaganda die NSDAP als Bewegung und Massenpartei darzustellen versucht und die Gauparteitage als regelrechte Events mit enormer Wirkung auf die Zeitgenossen. Die Choreografie und Kleidung der Teilnehmenden zeigt dabei die militärische Darstellung dieser Veranstaltungen und der militarisierten „Volksgemeinschaft“. Die propagandistische Absicht hinter den Fotoaufnahmen wird auch dadurch deutlich, dass die Größenwirkung der Ausstellungshalle im Hintergrund für die monumentale Inszenierung der Veranstaltung zur Beeinflussung des Betrachters instrumentalisiert wird.
Dr. Hendrik Martin Lange
Das Institut für Stadtgeschichte (ISG) ist die zentrale Einrichtung der Stadt Gelsenkirchen zur Erforschung und Präsentation der Stadtgeschichte. Ihm obliegt die wissenschaftliche Erforschung, Aufbereitung und Präsentation von Stadtgeschichte, insbesondere am Beispiel der Ruhrgebietsstadt Gelsenkirchen. Zum Institut für Stadtgeschichte zählen die Bereiche Stadtarchiv, historische Forschung und Beratung sowie die Dokumentationsstätte „Gelsenkirchen im Nationalsozialismus“. Kern der Dokumentationsstätte ist seither eine Dauerausstellung, die sich schwerpunktmäßig mit der Geschichte des nationalsozialistischen Regimes am Beispiel der Stadt Gelsenkirchen auseinandersetzt. Darüber hinaus dient die Einrichtung der politischen Bildung und bietet zudem die Möglichkeit der lokalen Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte. Führungen, Seminare, Projektbegleitung und die Nutzung der Präsenzbibliothek sind möglich.