Kriegstagebuch des Dr. Albert Esselbrügge
Textquelle
Bielefeld / China 1900/1901

Kurze Erläuterung

Gegen die Missionar:innen, Kaufleute und Ingenieure aus dem Westen, die seit den „Ungleichen Verträgen“ – gemeint sind eine Reihe von verschiedenen Verträgen, die Großmächte mit China zum Vorteil der Europär:innen, US-Amerikaner:innen und Japaner:innen ausgehandelt haben – in China Einfluss ausübten, regte sich in der chinesischen Bevölkerung Widerstand. Dies umschloss auch die christliche Missionierung und Einführung europäischer Kultur. Für soziale und wirtschaftliche Nöte wurden die Europäer:innen verantwortlich gemacht. Die wegen ihrer traditionellen Kampfkunst „Boxer“ genannten Mitglieder des „Verbandes für Gerechtigkeit und Harmonie“  gingen seit 1889 gewaltsam gegen ausländische Einrichtungen vor, unter anderem in der von dem Deutschen Kaiserreich kontrollierten Provinz Shandong. Im Jahr 1900, infolge einer Dürre im Norden Chinas, griffen die Boxer – mit Unterstützung der chinesischen Armee – die ausländischen Niederlassungen in Peking an. Nach der Ermordung eines deutschen Gesandten wurde das Botschaftsviertel 55 Tage belagert –  im Zuge dessen wurden tausende Menschen getötet. Eine Koalition aus europäischen Mächten sowie Japan, Russland und den USA, die sog. Vereinigten Acht Staaten, schlug die chinesischen Truppen zurück.
Das Deutsche Kaiserreich schickte ein Expeditionskorps nach Peking, das Kaiser Wilhelm II. in seiner „Hunnenrede“ offen zu brutaler Gewalt gegen Chines:innen aufforderte. Die Truppen unter General Alfred Graf Waldersee gingen gemeinsam mit den übrigen imperialistischen Staaten gegen verbliebene Boxer und chinesische Einheiten vor. 1901 unterzeichnete China einen Friedensvertrag – das sogenannte Boxerprotokoll –, der hohe Entschädigungen an die Siegermächte vorsah. Nicht nur erhielt das Deutsche Kaiserreich die zweithöchste Entschädigungssumme; es konnte auch eine Vergrößerung des Einflussgebietes in China verzeichnen.
Dr. Albert Esselbrügge war Militärarzt. Er meldete sich 1900 freiwillig zum Dienst in dem Deutschen Expeditionskorps, das im Zuge des Boxeraufstandes nach China geschickt wurde. Die Auszüge aus dem Tagebuch beschreiben seine Eindrücke vom Anfang des Jahres 1901. In dieser Zeit war der eigentliche Aufstand bereits niedergeschlagen. Die Truppe der Vereinigten Acht Staaten unter deutscher Führung bekämpfte nur noch vereinzelte Widerstandsnester. Offene Kampfhandlungen hat Esselbrügge in dieser Zeit nicht miterlebt.

Relevanz des Materials

In dem vorliegenden Tagebuch schildert Esselbrügge aber – aus zweiter Hand – den Umgang von ausländischen Truppen mit der chinesischen Bevölkerung und Kriegsverbrechen gegen Zivilist:innen. Die Rede ist von einem niedergebrannten Dorf durch japanische Truppen oder von einem deutschen Strafzug durch ein weiteres Dorf, in dem ein widerständiger Mann lebt: „Das Dorf wird umstellt, Chinese, die trotz Aufsrufs zum Halt der Kette durchbrechen werden niedergeschoßen […], die übrige männliche Bevölkerung […] zusammengetrieben, gründlich verprügelt.“ Essenbrügge kommentiert dies auf Französisch mit „C‘est la Guerre“, was mit „So ist der Krieg“ übersetzt werden kann. Aus den Tagebuchausschnitten kann so herausgelesen werden, wie der Umgang der Kolonialmächte mit der chinesischen Bevölkerung war. Der Umgang im Anschluss an den Aufstand lässt darauf schließen, wie gewaltsam die Niederschlagung des Aufstandes durchgeführt wurde.

Daniel Sobanski / Andrea Lorenz

Lernort 

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