Kurze Erläuterung
Mit dem Verlust der Überseebesitzungen war das Thema Kolonialismus in der neu gegründeten Weimarer Republik keinesfalls abgeschlossen. Das lag weniger an der wirtschaftlichen Bedeutung der zwischen den 1880er Jahren und 1919 beanspruchten Kolonien, obgleich eine kleine Zahl von Unternehmern sehr wohl Nutzen aus den Geschäften in den Kolonien ziehen konnten. Bis zur erzwungenen Abtretung sämtlicher kolonialen Ansprüche durch den Versailler Vertrag im Jahre 1920 blieben die Kolonien reine Prestigebesitzungen für das von Kaiser Wilhelm II. geforderte wie geförderte Weltmachtsimage. Die Kolonien wurden jedoch ein Diskussionspunkt in der Weimarer Republik.
Die hier vorliegende Fahne der Gronauer Ortsgruppe der Kolonialpfadfinder – vorne mit dem Aufdruck „Kehre wieder Afrika“, hinten mit einer Lilie, dem Symbol der Pfadfinderbewegung – steht dabei stellvertretend für Bewegungen in den 1920er und frühen 1930er Jahren. Diese strebte nach einer Wiedererlangung der deutschen Kolonien in Afrika.
Der Verband der Kolonialpfadfinder ist das Produkt langfristiger Bemühungen der Deutschen Kolonialgesellschaft und existierte in der Zeit zwischen 1926 und 1933. Durch das Herantreten an die Jugend, der sie die „Faszination Afrika“ nahe bringen wollten, wollten sie das koloniale Bestreben in der Weimarer Republik erhalten. Der Rahmen der Pfadfinderschaft ermöglichte es ihnen darüber hinaus, sie auf spielerische Weise und mit gefördertertem Gemeinschaftsgefühl zu zukünftigen Kolonist:innen auszubilden. Somit wurde auch das deutsche Großmachtsstreben konserviert und auf neue Generationen übertragen. Die Bewegung umfasste mehrere Tausend Mitglieder mit Ortsgruppen im gesamten Deutschen Reich sowie in Österreich und wurde 1933 zumindest in Teilen an die Hitlerjugend angegliedert.
Relevanz des Materials
Die Fahne kann als Ausgangspunkt für die Erarbeitung des Umgangs mit der deutschen Kolonialgeschichte dienen. Die Aufschrift „Kehre wieder Afrika“ bezieht sich auf den Wunsch, die auf dem afrikanischen Kontintent gelegenen Kolonien wieder zu erhalten. Zu diskutieren sind hier die Gründe: weniger werden es wirtschaftliche Gründe gewesen sein, als viel mehr eine Frage des Prestiges. Ebenso können Formen von Propaganda und Instrumentalisierung diskutiert werden; da im Falle der Kolonialpfadfinder bereits junge Menschen mit entsprechende Vorstellungen erzogen werden sollten. So existierten die Gronauer Kolonialpfadfinder bis 1933 und trafen sich im Keller der Viktoriaschule in Gronau. Schließlich kann diese Form der Kolonialbewegung im Zusammenhang der Fragen rund um die Entstehung der Weimarer Republik diskutiert werden: Kolonialrevisionismus war eng verknüpft mit dem Wunsch der Rehabilitation Deutschlands als Weltmacht, insbesondere nach den Folgen des Versailler Vertrages (Reparationszahlungen, Alleinschuld am Ersten Weltkrieg).
Mario Polzin
Die Geschichte der Grenzstadt Gronau, die kulturhistorischen Beziehungen im Dreiländer-Gebiet und ein ganz besonderes, 140 Millionen Jahre in die Erdgeschichte zurückreichendes Zeitfenster, das sind die wichtigsten Themen im Gronauer Drilandmuseum. Es wurde 1988 in dem verbliebenen Gebäudeteil des alten Gronauer Rathauses eröffnet.
Das Museum ist eine der ältesten Kultureinrichtungen der 1898 gegründeten Stadt Gronau, einzelne Ausstellungsbereiche wurden bereits 1912 in den städtischen Unterlagen aufgeführt. Dazu gehören auch geologische und paläontologische Kostbarkeiten, die seinerzeit und bis heute in der akademischen Fachwelt Aufmerksamkeit und Beachtung fanden. Ein weiterer Ausstellungsschwerpunkt stellt die Geschichte des ehemaligen Gronauer Schlosses dar, an dessen historischem Standort vor kurzem Ausgrabungen interessante Erkenntnisse und Einblicke in die ältere Besidelungsgeschichte Gronaus ergaben.