Kurze Erläuterung
Besonders in der Zeit des Imperialismus wurden Einwohner:innen der kolonisierten Gebiete nach Europa und Nordamerika gebracht und dort bei öffentlichen Ausstellung und in Zoos zur Schau gestellt. Meist unterschrieben sie Verträge, obgleich ihnen sicher nicht in vollem Umfang klar war, was sie zu erwarten hatten: Die Menschen wurden in nachgestellten „Eingeborenendörfern“ bei vermeintlich typischen Handlungen ihres Alltages oder bei der Präsentation besonderer, z.B. akrobatischer Fähigkeiten gezeigt. Es ging nicht darum, die realen Kulturen der Menschen darzustellen, auch wenn sie mit Tieren aus der Region, entsprechender Kleidung und orginalen Gegenständen ausgestattet wurden, um einen „authentischen“ Eindruck zu erzeugen. Im Wesentlichen wurden jedoch Stereotype, westliche Vorstellungen und Klischees präsentiert. Die „Menschenzoos“ sollten Fremdheit und Exotik und damit zugleich ein Gefühl der „rassischen“ Überlegenheit vermitteln.
Im deutschsprachigen Raum sind vor allem der Hamburger Carl Hagenbeck und der gleichnamige Zoo mit dem Konzept der Völkerschauen verbunden: Hagenbeck veranstaltete 1874 mit der „Lappländer-Ausstellung“ die erste Völkerschau dieser Art. Das Konzept wurde ein großer (Publikums-)Erfolg. Bis zum Ersten Weltkrieg erfreuten sich diese Veranstaltungen großer Beliebtheit. Auch darüber hinaus wurden Kolonialausstellungen europaweit gezeigt. Selbst die Expo in Brüssel hatte 1958 noch sieben Pavillons zu kolonialen Themen, bei denen auch Menschen aus Afrika präsentiert wurden.
Der 1875 gegründete Zoo in Münster veranstaltete von Anfang an Völkerschauen, um mehr Publikum anzulocken. Das vorliegende Foto stammt aus dem Nachlass des Gründers und Direktors des Zoos Münster, Hermann Landois. Es zeigt eine Gruppe Afrikaner:innen mit typischer oder vermeintlich typischer Kleidung und Waffen. Sie stehen vor dem Hintergrund einer gemalten Dschungelszenerie. Gerade der Hintergrund erinnert an ein Tiergehege. Der Münsteraner Zoo zeigte noch bis 1928 Völkerschauen.
Relevanz des Materials
Die Fotografie macht deutlich, wie sehr Kolonialismus Teil der Alltagswelt in Westfalen war. Die Zurschaustellung der indigenen Menschen bildet die kolonial-überlegenen Perspektiven ab. Dies wird auch darin deutlich, dass die Menschen hier wie die Tiere als Ausstellungsobjekte gezeigt werden und als Teil von Unterhaltung gezählt werden. Hieran werden rassistische Überlegenheitsgedanken deutlich, die die Zeit der Imperialismus prägten und heute nicht mehr vorstellbar sind.
Daniel Sobanski / Andrea Lorenz
Das LWL-Archivamt ist ein Archiv und eine Beratungsstelle für Archive in Westfalen. Seine Bestände umfassen vor allem Nachlässe von Privatpersonen.