Straßenschild „Heinrich-Brüning-Straße“
Sachquelle
Münster 1965

Kurze Erläuterung

Dr. Heinrich Brüning (1885–1970) saß als national-konservativer Katholik seit 1924 für die katholische Zentrumspartei im Reichstag und war von 1930 bis 1932 Reichskanzler. Seine Amtszeit fällt damit in die Zeit der Weltwirtschaftskrise, welche die Weimarer Republik stark belastete.
Nachdem im März 1930 die Große Koalition aus SPD, DDP (Deutsche Demokratische Partei), Zentrum, BVP (Bayerische Volkspartei) und DVP (Deutsche Volkspartei) zerbrach, wurde Brüning von Reichspräsident Hindenburg mit der Regierungsbildung beauftragt. Er bildete daraufhin das erste sogenannte Präsidialkabinett. Präsidialkabinette waren Minderheitsregierungen, die auf die Rechte des Reichspräsidenten (Artikel 48) zurückgriffen. Sie schwächten zwar die parlamentarische Demokratie, waren aber verfassungskonform. Mittels Notverordnungen regierte das „Kabinett Brüning“, bis Hindenburg ihm im Mai 1932 das Vertrauen entzog. Wegen seiner drastischen Sparmaßnahmen zur Bekämpfung der Weltwirtschaftskrise war Brüning in der öffentlichen Meinung unbeliebt.
Sein Umgang mit den Nationalsozialisten schwankte zwischen Bekämpfung und dem Versuch der demokratischen Einbindung der NSDAP in eine Rechtskoalition, über welche im November 1931 verhandelt wurde. Im Juli 1933 wickelte er als Vorsitzender das Zentrum als letzte demokratische Partei ab, ehe er 1934 aus Deutschland floh. Den Rest seines Lebens verbrachte er vor allem in den USA, wo er an Universitäten lehrte. Zwischen 1951 und 1955 kehrte er für einen Lehrauftrag kurzzeitig auch wieder nach Deutschland zurück.
Schon 1932 war er zum Ehrenbürger seiner Heimatstadt Münster ernannt worden, in dessen Innenstadt seit 1965/66 auch eine Straße nach ihm benannt ist.

Relevanz des Materials

Anhand des Entstehens und letztendlich auch des Bruchs der großen Koalition, welche fünf Parteien vom linken bis ins rechte Spektrum umfasste, kann die politisch instabile Situation der Republik am Ende der 1920er Jahre aufgezeigt werden. Eine Auseinandersetzung mit der Politik Brünings hingegen bietet eine umfangreiche Diskussionsgrundlage über das Ende der Weimarer Demokratie. So kann argumentiert werden, dass Brüning schon 1931 durch die angestrebte Einbindung der NSDAP in eine demokratische Rechtskoalition die Demokratie zu schützen versuchte, da er auf diesem Wege die Oppositionsmacht der Nationalsozialist:innen zu schwächen beabsichtigte. Andererseits untergrub er selbst durch die ihm gebildeten Präsidialkabinette sowie seine autoritäre Regierung mittels Notverordnungen die demokratischen Fundamente des Staates. Hierbei muss jedoch auch die Rolle des Reichspräsidenten Paul von Hindenburgs hervorgehoben werden, welcher die Präsidialkabinette und ihre Notverordnungsregierung – und somit auch den Übergang zur nationalsozialistischen Diktatur – durch seine präsidialen Vollmachten erst ermöglichte.
Abschließend kann sich mit erinnerungskultureller Praxis auseinandergesetzt werden, indem kritisch hinterfragt wird, ob die Ehrung Brünings durch die Stadt Münster in den 1960er Jahren angesichts der diskutierten Umstände noch als angemessen empfunden wird oder nicht.

Dr. Hendrik Martin Lange

Lernort 

Das Stadtarchiv der Stadt Münster versteht sich als „Gedächtnis der Stadt“ und archiviert Unterlagen der Stadtverwaltung. So wird die Stadtgeschichte Münsters bewahrt und für unterschiedliche Interessierte zur Verfügung gestellt. Die Bestände können vorab recherchiert und dann zur Einsicht im Lesesaal bereitgestellt werden.

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