Kurze Erläuterung
Dieses Gedicht wurde von Julius Kirchhoff (1895-1939) verfasst. Kirchhoff war Hofprediger und Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde in Coesfeld und diente als Offizier im Ersten Weltkrieg. 1919 trat er dem Freikorps Watter bei, das in Münster stationiert und maßgeblich an der blutigen Niederschlagung der Aufstände im Ruhrgebiet beteiligt war. Im März 1926 wurde er durch Otto II. Fürst zu Salm-Horstmar zum Hofprediger ernannt und im April 1926 zum Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde in Coesfeld berufen. Coesfeld war zu diesem Zeitpunkt klar katholisch dominiert und das katholische Zentrum stellte mit seinen beiden Fraktionen vor 1933 kontinuierlich die Mehrheit im Stadtparlament. Die in der Stadt nur schwach vertretene SPD wird im Gedicht gar nicht erwähnt, dafür jedoch die kleine kommunistische Partei. Kirchhoff identifizierte sich nicht mit den Werten der Weimarer Republik. Er setzte auf den Nationalsozialismus und war im „Stahlhelm“ aktiv. Eine NSDAP-Mitgliedschaft ist nicht nachweisbar, aber seit Ende 1933 war er Propagandaleiter der SA-Reserve. 1935 stieg er zum Kreisschulungswart auf.
Relevanz des Materials
Das Gedicht kann zum einen inhaltlich betrachtet werden. Die Beschreibung des Umzugs am 1. Mai mit zahlreichen Fahnen und braun uniformierten Menschen in den Straßen lässt den Eindruck einer sehr populären, großen Veranstaltung entstehen. Der 1. Mai als „Großkampftag“ der Nationalsozialisten ist hier deutlich propagandistisch hervorgehoben und betont worden. Durch die Erwähnung des Zentrumspolitikers, der auch eine Armbinde getragen habe, sowie die propagierte Auflösung von Klassenunterschieden macht Kirchhoff seine Zustimmung zum aufstrebenden Regime der Nationalsozialisten deutlich. Das publizierte Gedicht lässt auf die Absicht Kirchhoffs schließen, mit seiner Überzeugung und Formulierung auf ein breites Publikum zu stoßen und so zum Teil der nationalsozialistischen Propaganda zu werden. Seine zu dieser Zeit durchaus einflussreiche Rolle als Pfarrer reflektierte er entweder gar nicht oder nutzte seinen Einfluss im Sinne der Mobilisierung für die Nationalsozialisten. Somit eignen sich Kirchhoff und sein Gedicht auch dazu, allgemein über den politischen Einfluss von öffentlichen Personen zu diskutieren.
Dr. Hendrik Martin Lange
Das Stadtarchiv Coesfeld ist ein zentraler Erinnerungsort in Coesfeld. Es organisiert Gedenkfeiern und Vorträge, Unterrichtsmaterialien und Bildungsveranstaltungen. Aber vor allem: Es sichert das schriftliche Erbe der Stadt – dauerhaft und für jede und jeden zugänglich. Damit versucht es der Identität Coesfelds eine Heimat zu bieten – vom 12. Jahrhundert bis heute. Die Ratsprotokolle von 1923-1945 sind digitalisiert und online abrufbar. Außerdem gibt es einige Unterrichtsmaterialien zum Download.