Kurze Erläuterung
Mit dem Wegfall der Diktatur fanden sich in Deutschland in der sogenannten „Stunde Null“ plötzlich zahlreiche Menschen mittellos an Orten, in denen sie keinerlei persönliche Beziehungen oder soziale Netzwerke hatten. Neben Geflüchteten und Vertriebenen betraf dies vor allem die sogenannten Displaced Persons (DP), meist befreite KZ-Gefangene oder Zwangsarbeiter:innen aus verschiedenen Ländern, die nicht oder nicht sofort in ihre Heimat zurückkehren konnten. Mit der Einrichtung von „DP-Lagern“ versuchten die britischen und amerikanischen Besatzungsbehörden ein gewisses Maß an Organisations- und Versorgungsstrukturen aufzbauen. Dies reichte jedoch nicht zur Versorgung aller ehemaliger Insassen von Arbeits- oder Konzentrationslagern aus – zumal sich die Motivation für eine weitere Lagererfahrung bei vielen verständlicher Weise in Grenzen hielt. Zudem gab es eine nicht unbedeutende Anzahl deutscher KZ-Häftlinge und politischer Gefangener, die den Weg in ihre alten Heimatorte suchten, dort die erhoffte Unterstützung durch Familie oder Freund:innen aber nicht vorfanden.
Relevanz des Materials
Da das Schreiben vor Gründung des Bundeslandes NRW verfasst wurde, handelt es sich bei dem durch die britische Militärverwaltung als „unbelastet“ berufenen Oberpräsidenten um die höchsten deutschen Verwaltungsbeamten zu diesem Zeitpunkt. Er schlägt durchaus Unterstützungsleistungen vor, empfiehlt aber vor allem wegen der allgemeinen Knappheit finanzieller und materieller Ressourcen „einen sehr engen Maßstab“ anzulegen. Der Oberpräsident spricht von „rassischer“ Diskriminierung. Ob dies eine grundsätzliche Offenheit für alle Opfergruppen bedeutet oder eine Scheu, das Schicksal der jüdischen Bevölkerung klar zu benennen, wäre ein geeignetes Diskussionsthema für fortgeschrittene Lerngruppen.
Dieses Schreiben lässt sich gut in Verbindung setzen mit dem Schreiben des Regierungspräsidenten vom 22. August 1945.
Dr. Franz Jungbluth
Das Kreisarchiv Gütersloh besteht seit 1984 und bewahrt und erschließt die Akten der ehemaligen Kreise Wiedenbrück und Halle in Westfalen sowie des 1972 daraus hervorgegangenen Kreises Gütersloh. Weitere größere Bestände bilden die Überlieferung von kreisweit aktiven Verbänden sowie private und öffentliche Fotosammlungen.
Das Kreisarchiv gibt eine Schriftenreihe und ein Jahrbuch für regionalhistorische Beiträge heraus und ist mit Führungen und Beratung vor Ort sowie einem Materialservice für Schulen im Kreisgebiet archivpädagogisch tätig.