Kurze Erläuterung
Erste Entwürfe für ein „Wiedergutmachungsgesetz“ zur Entschädigung von Opfern des NS-Regimes wurden bereits 1949 diskutiert und ein erstes Gesetz kurz vor der Bundestagswahl 1953 verabschiedet. Aufgrund zahlreicher juristischer Unklarheiten konnten Entschädigungen jedoch erst mit der Verabschiedung des „Bundesentschädigungsgetzes“ (BEG) 1956 beantragt werden. Die Antragstellung war zunächst auf Opfer bzw. deren direkte Familienangehörige beschränkt, die ihren Wohnsitz in den Grenzen des Deutschen Reichs von 1937 hatten oder wieder bzw. immer noch in der Bundesrepublik lebten. Zwangsarbeiter:innen sowie Holocaust-Opfern aus im Zweiten Weltkrieg besetzten Gebieten stand kein Entschädigungsanspruch zu. Auch Sinti und Roma wurde nach zahlreichen Prozessen 1953 vom Bundesgerichtshof aus dem Gesetz ausgenommen. Das Gros der Anträge stammte daher von jüdischen NS-Verfolgten – oder deren Angehörigen -, denen eine Flucht nach Westeuropa oder Amerika gelungen war.
Dies galt auch für die Gütersloher Familie Steinberg, die 1939 über Kuba in die USA emigrieren konnte. Nathan „Karl“ Steinberg (1886-1943) verstarb an einer Herzkrankheit, deren Schwere sich direkt auf die mangelhafte medizinische Betreuung während einer mehrwöchigen Lagerhaft 1938 und die Entbehrungen der Emigration zurückführen ließ. Seine Witwe Klara und ihre Tochter beantragten 1956/57 Entschädigungszahlungen, 1966 verzichtete die Tochter auf diese „Erbe“ zugunsten einer Hinterbliebenenrente für ihre Mutter.
Relevanz des Materials
Der Vorgang zeigt, dass die materiellen Schäden verfolgter – und antragsberechtigter! – Familien über größere zeitliche und geographische Entfernung anerkannt und entschädigt wurden, auch über den Tod des direkten Verfolgungsopfers hinaus. Die zahlreichen Verweise auf Paragraphen und Berechnungen können einerseits als Bemühung um faire und gerechte Ausgleichszahlungen gelesen werden. Anderseits mutet der bürokratische und gänzliche unemotionalen Zugang der deutschen „Wiedergutmachungsämter“ angesichts der Dimensionen des Holocaust seltsam an und könnte als Hinweis, auf die Kontinuitäten im „unpolitischen“ Beamtentum gesehen werden, das ungeachtet der politischen Beurteilung eines Gesetzes „Dienst nach Vorschrift“ macht.
Dr. Franz Jungbluth
Das Stadtarchiv der Stadt Münster versteht sich als „Gedächtnis der Stadt“ und archiviert Unterlagen der Stadtverwaltung. So wird die Stadtgeschichte Münsters bewahrt und für unterschiedliche Interessierte zur Verfügung gestellt. Die Bestände können vorab recherchiert und dann zur Einsicht im Lesesaal bereitgestellt werden.