Bescheinigung der Invalidenversicherung für Elfriede Hildebrandt
Textquelle
Vlotho im frühen 20. Jahrhundert

Kurze Erläuterung

Die unzumutbaren Arbeitsbedingungen in den Fabriken sorgten im Laufe des 19. Jahrhunderts zunehmend für Unruhen innerhalb der Arbeiterschaft, welche sich schließlich zu einer größeren Arbeiterbewegung formierte. Mit dem Sozialistengesetz von 1878 waren sozialistische sowie sozialdemokratische Vereinigungen (welche die Arbeiterschaft politisch vertraten) zwar verboten worden, doch war dem damaligen Reichskanzler Bismarck ob der immer prekärer werdenden Zustände dennoch zum Handeln gezwungen. Um den Arbeiter:innen die größte Not und der Arbeiterbewegung ein schlagfertiges Argument zu nehmen, trat schließlich 1883 ein  Krankenversicherungsgesetz für Arbeiter:innen in Kraft. Im folgenden Jahr folgte ein Unfallversicherungsgesetz und 1889, unter dem immensen Druck streikender Bergleute im Ruhrgebiet, schließlich auch ein Gesetz zur Alters- und Invalidenversicherung. Damit waren Arbeiter:innen zumindest ansatzweise abgesichert und das Risiko, in völlige Armut zu fallen, nun ein wenig geringer.
Diese Sozialgesetze galten europaweit als Vorbild, stießen in der  Arbeiterbewegung jedoch nicht nur auf positive Resonanz, da sie wichtige Streitpunkte wie Arbeitsschutzmaßnahmen und Begrenzung von Arbeitszeiten nicht berührten. Die hier gezeigten Bescheinigungen sind ausgestellt worden für die am 12. September 1894 in Vlotho geborene Elfriede Hildebrandt, geb. Lenger. Die Bescheinigungen umfassen zwölf Seiten, welche die Endzahlen aus der Aufrechnung der Quittungskarte beinhalten und die Zeiträume 1911–1921 sowie 1950–1960 umfassen. Zum Zeitpunkt der ersten Einzahlungen in die Invalidenkasse war Elfriede Hildebrandt erst 17 Jahre alt.

Relevanz des Materials

Anhand der Bescheinigungen kann nachgehalten werden, ab wann Elfriede Hildebrandt in die Invalidenkasse eingezahlt hat. Die erste Zahlung ist hier auf einen Zeitraum datiert, zu dem sie gerade 17 Jahre alt war. Dieser Umstand wirft Fragen bezüglich der Verbesserung der Arbeitsbedingungen und –sicherheit im frühen 20.  Jahrhundert auf. Die Invalidenversicherung kann außerdem als eine der von Bismarck ins Leben gerufenen Sozialversicherungen herausgestellt werden. Hier könnten weiterführend auch die anderen Versicherungsformen berücksichtigt werden – sowohl in Bezug auf die Sozialgesetze Bismarcks, aber auch im Vergleich mit nachfolgenden und gegenwärtigen Versicherungsmodellen. An Elfriede Hildebrandt können zudem auch Lebensumstände arbeitender Frauen erarbeitet und somit Lebensumstände der Arbeiterschaft aus einer geschlechterspezifischen Perspektive beleuchtet werden.

Franziska Hackenes / Mario Polzin

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