Kurze Erläuterung

Gronau war ein Zentrum der westfälischen Textilindustrie: Dank niederländischen Kapitals fanden tausende Menschen in der Stadt Arbeit. Die Arbeitnehmer:innen kamen nicht nur aus Deutschland – viele pendelten auch aus den benachbarten Niederlanden. In Gronau befand sich in den 1920ern und 1930ern Jahren die größte Spinnerei auf dem europäischen Kontinent: Die Spinnerei Gerrit van Deldens beschäftigte allein über 1400 Männer und Frauen.
Die westfälische Textilwirtschaft litt sehr stark unter der Weltwirtschaftskrise. Viele Firmen konnten keine Rohstoffe aus Übersee mehr finanzieren und ihre Absatzmärkte brachen weg. Tausende Arbeiter:innen verloren ihre Arbeitsplätze, was die kommunalen Verwaltungen und Finanzen belastete. Schon 1930 ist im Verwaltungsbericht der Stadt Gronau die Rede davon, dass die Zahl der dauerhaft Unterstützten in der Armenfürsorge „noch nie diese Höhe erreicht“ hat. Die Zahl der Unterstützten stieg innerhalb eines Jahres von 184 auf 258. Der Höhepunkt der Wirtschaftskrise war allerdings erst zwei Jahre später erreicht.

Relevanz des Materials

Ab 1927 stieg die Zahl der Arbeitslosen – mit saisonalen Schwankungen – von etwa 1 Mio. auf über 6 Mio. im Jahr 1932 an. Lange Zeit wartete man auf die selbstheilenden Kräfte des Marktes und reagierte daher zu spät und mit den falschen Mitteln (Brünings Spar- und Deflationspolitik) gegen die Krise. Im Jahresdurchschnitt war die Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer:innen im Reich von 18,6 Mio. (Juni 1929) auf 11,5 Mio. (Januar 1933) zurückgegangen. Der Höchststand der registrierten Arbeitslosigkeit war im Februar 1932 erreicht: 6.128.429 im Reich. Die Arbeitslosenunterstützung wurde in Höhe und Dauer gekürzt, die Bedingungen wurden verschärft und für bestimmte Personengruppen wie verheiratete Frauen und Jugendliche sogar ganz gestrichen. Bei steigenden Arbeitslosenzahlen ging die Zahl der Unterstützten zurück, viele wurden an die Sozialhilfe verwiesen, die wiederum ihre Leistungen kürzte. Auch die anderen Sozialversicherungen wie Kranken- und Rentenversicherung reduzierten ihre Leistungen. Diejenigen, die noch Arbeit hatten, mussten Lohnkürzungen hinnehmen, während andererseits die Verbrauchssteuern angehoben wurden.

Dr. Hendrik Martin Lange

Lernort 

Das Stadtarchiv Gronau ist besonders für Untersuchungen zur Textilwirtschaft wichtig. Da die Stadt Gronau und ihre Verwaltung auf eine vergleichsweise junge Geschichte zurückblicken, gliedert sich das Archivgut in entsprechend neuzeitliche Schwerpunkte. Die Besucher/innen erwarten Aktenbestände der Verwaltung, die bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückreichen; Unterlagen zur Gronauer Textilindustrie, mit deren Anfängen etwa 1850 die Stadtwerdung Gronaus begann; ein Bildarchiv, dessen inhaltliche Schwerpunkte im Bereich der Gronauer Textilindustrie liegen; ein Zeitungsarchiv, welches in erster Linie die Ausgaben der Gronauer Nachrichten/Westfälische Nachrichten ab 1960 (mit Lücken auch ältere Sammlungen) bereithält; eine Bibliothek, deren Bestände weite Teile des publizierten Wissens über die Stadt Gronau, ihre Geschichte und die grenzüberschreitende Region (Dreiländereck) enthält.

Stadtarchiv Gronau