Kurze Erläuterung
Die hier gezeigte Glocke steht mitten in der Bochumer Innenstadt vor dem Rathaus der Stadt. Sie ist aus zwei Gründen besonders: Sie ist die zweitgrößte Glocke Deutschlands – und sie wurde 1867 von dem Unternehmen gefertigt, welches mit seiner Erfindung zum Guss von Stahl die Branche revolutioniert hat. In seiner 1843 gegründeten Fabrik entwickelte der Bochumer Unternehmer Jacob Mayer eine neue Technik zur Gussstahlfabrikation, deren Ergebnisse er in Form von Gussstahlglocken auf der Pariser Weltausstellung 1855 präsentierte. Da die Anwendung von Stahlgussverfahren bis zu diesem Zeitpunkt für komplexere Formen noch nicht für möglich gehalten worden war, äußerte der Essener Industrielle Alfred Krupp öffentlich Zweifel an der Echtheit bzw. am Material der ausgestellten Glocken. Diese hielten jedoch einer eingehenden Prüfung stand und bewiesen den Erfolg der neuen Technik aus Bochum, welche daraufhin mit der großen Ehrenmedaille der Ausstellung prämiert wurde. Das Gussstahlverfahren war nicht nur für die hier thematisierte Glockengießerei interessant. Vielmehr boten sich durch den direkten Formguss schnellere Produktionsmöglichkeiten da direkt fertige Produkte hergestellt werden konnten. Zuvor musste man zunächst Stahlbarren produzieren , aus denen dann, meist erst in einer anderen Fabrik, das spätere Endprodukt gefertigt werden konnte.
Relevanz des Materials
Die Bochumer Stahlglocke steht exemplarisch für die Entwicklung eines neuen Produktionsverfahrens (Stahlgussverfahrung), das großen Einfluss auf die Herstellung komplexer Stahl-Erzeugnisse hatte und damit die Industrialisierung vorantrieb. Dies betraf v.a. das Erschaffen runder Gegenstände – wie den Stahlglocken oder Eisenbahnrädern –, die so in deutlich kürzerer Zeit und damit auch kostengünstiger produziert werden konnten. Gerade durch die schnellere Produktion der Eisenbahnräder, die durch den Guss keine Schweißkanten und damit weniger potenzielle Bruchstellen hatten, konnte auch der Ausbau der Infrastruktur vorangetrieben werden. Der Konflikt während der Weltausstellung zeigt auch die starke Konkurrenz zwischen den einzelnen (regionalen) Fabrikanten und verdeutlicht die rasante Geschwindigkeit, mit der im Laufe der Industrialisierung innovative Verfahren, Techniken und Produktionsabläufe entwickelt und etabliert wurden.
Mario Polzin/Theresa Hiller
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