Feierstunde zum „Heldengedenktag“ am Kriegerdenkmal mit Soldaten der Waffen-SS
Fotografie
Raesfeld 1939

Kurze Erläuterung 

Nach der „Machtübertragung“ auf die Nationalsozialist:innen im Jahr 1933 veränderte sich auch in ländlich geprägten Regionen wie dem westfälischen Dorf Raesfeld (Kreis Borken) das Alltagsleben spürbar. Obwohl die mehrheitlich katholische Gemeinde dem NS-Regime zunächst zurückhaltend begegnete, etablierten sich rasch lokale Strukturen wie SA- und NSDAP-Ortsgruppen, gefolgt von Hitlerjugend und NS-Frauenschaft.
Gleichzeitig diente die ideologische Aufwertung des Bauerntums im Rahmen der bereits in den späten 1920er Jahren entstandene „Blut-und-Boden“-Ideologie dazu, die ländliche Bevölkerung als ursprünglichsten Teil der von den Nationalsozialist:innen konstruierten „Volksgemeinschaft“ zu idealisieren. Diese Vereinnahmung ging jedoch mit wachsender staatlicher Kontrolle einher. Der Alltag war geprägt von Abgabenlast und staatlich regulierten Lieferpflichten.
Mit Kriegsbeginn verschärfte sich die Lage weiter. Der zunehmende Arbeitskräftemangel und die systematische Einbindung ausländischer, oft zu Zwangsarbeit verpflichteten, Kriegsgefangenen verdeutlichten die unmittelbaren Auswirkungen des fortschreitenden Krieges. Zudem trug die wachsende Präsenz nationalsozialistischer Strukturen, Rituale und Organisationen die zunehmende Militarisierung und Ideologisierung des Alltags unmittelbar in den dörflichen Raum, oft sogar auf den eigenen Hof.
Die Fotografien aus der Sammlung des westfälischen Bauernsohns und Dorffotografen Ignaz Böckenhoff (1911 – 1994) dokumentieren das Alltagsleben in Raesfeld zwischen 1933 und 1942 eindrücklich. Sie bilden das Spektrum individueller und kollektiver Verhaltensweisen innerhalb einer westfälischen Dorfgemeinschaft ab, die während der nationalsozialistischen Herrschaft zunehmend ideologischer Einflussnahme und kriegsbedingten Transformationen ausgesetzt war.
Schon vor Kriegsbeginn wurde der der zunehmende Einfluss des Nationalsozialismus auf das alltägliche Leben in Raesfeld sichtbar. Gedenktage wie der Volkstrauertag wurden gezielt propagandistisch umgedeutet, um nationalsozialistische Ideale zu stärken und die Bevölkerung für den Krieg zu mobilisieren.

Relevanz des Materials 

Die vorliegende Fotografie zeigt die Feierstunde zum „Heldengedenktag“ am Kriegerdenkmal in Raesfeld im März 1939. Kurz zuvor hatten die Nationalsozialist:innen den Feiertag per Erlass auf den 16. März, beziehungsweise den vorherigen Sonntag, verlegt, um an den Tag der Wiedereinführung der Wehrpflicht im Jahr 1935 zu erinnern. Nationalsozialistische Symbolik und Ritualisierung wurden genutzt, um Geschichte umzudeuten und den Krieg als heroische Pflicht zu inszenieren.
Im Vorder- und Hintergrund sind die Soldaten von Kindern umringt, die teilweise den „Hitlergruß“ zeigen. Es sieht so aus, als ob sie ebenfalls eine Uniform tragen. Die Aufnahme lädt dazu ein, die Funktion solcher Feiern als Instrumente der politischen Propaganda zu analysieren und zu diskutieren, wie das Bild der angeblichen „Volksgemeinschaft“ sowie militärische Stärke, Opferbereitschaft und Disziplin durch öffentliche Inszenierung vermittelt wurden. Zudem kann die Militarisierung von Kindheit und Jugend erörtert werden. Schließlich bietet das Bild Anlass, typisierte Bildkompositionen im Nationalsozialismus zu thematisieren und zu hinterfragen, inwiefern unsere heutigen visuellen Vorstellungen der NS-Zeit noch immer von solchen inszenierten Darstellungen geprägt sind.

Elisa Gernert

Lernort 

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