Kurze Erläuterung
Nach den militärischen Erfolgen der revolutionären bzw. „kaiserlichen“ französischen Armee schuf Napoleon Bonaparte 1803–1807 ein System von Vasallenstaaten, die mit Frankreich im sogenannten „Rheinbund“ militärisch verbündet waren. Durch personelle Verbindungen nach Frankreich und juristische Reformen sollte eine enge politische und auch gesellschaftliche Orientierung am napoleonischen Frankreich erreicht werden. Das Gebiet Westfalens ging dabei wesentlich in zwei Vasallenstaaten auf: das Königreich Westphalen und das Großherzogtum Berg auf.
Das Königreich Westphalen wurde1807 im Frieden von Tilsit geschaffen. Der Friedensschluss zementierte die Niederlage Preußens im Vierten Koalitionskrieg, das zahlreiche Provinzen an die französischen Vasallenstaaten Warschau und Westphalen verlor.
Das Königreich Westphalen reichte weit über das heutige oder historische Westfalen hinaus, was sich schon in der Wahl Kassels als Hauptstadt zeigt. Das Territorium umfasste weite Teile des früheren „Kurhessen“ sowie des ehemaligen Königreichs Hannover (in der Quelle als „Braunschweig-Wolfenbüttelsche Lande“ bezeichnet).
Als König wurde Napoleons jüngerer Bruder Jérôme eingesetzt. Die enge Anbindung an Frankreich bedingte bis 1813 eine bedingungslose außenpolitische und militärische Unterstützung Napoleons sowie innenpolitische und administrative Reformen zur Bildung eines post-revolutionären Musterstaats. Zeugnis davon geben die „Constitution“ und die zahlreichen Gesetze und Dekrete des Königreichs, die ab 1810 in insgesamt 11 Bänden veröffentlicht wurden.
Relevanz des Materials
Die ersten Seiten der Gesetzessammlung zeichnen die Gründung des Königreichs nach. Aus der Vorrede lässt sich das Selbstverständnis Napoleons auf dem Höhepunkt seiner Macht analysieren. Der erste Teil spiegelt das „Zusammenwürfeln“ verschiedener Territorien zu einem Königreich wieder, das mit der historischen oder aktuellen Definition von Westfalen wenig zu tun hat.
Ein Vergleich mit aktuellen und historischen Karten zeigt die Konstruktion und den Wandel von Grenzen und Territorien. Aus dem zweiten und dritten Teil lassen sich die Bedeutung der militärischen Komponente für die Gründung der Vasallenstaaten und das Bemühen Napoleons, in Anlehnung an alte Adelshäuser eine Art eigenes „Hausgesetz“ zu schaffen, herausarbeiten.
Dr. Franz Jungbluth
Der Altertumsverein Paderborn wurde 1824 als eine Abteilung des Vereins für Geschichte und Altertumskunde Westfalens gegründet und verfügt aufgrund seiner langen Geschichte über umfangreiche Münz-, Urkunden- und Kartensammlungen. Diese sind überwiegen in verschiedenen Museen des Bistums, der Stadt und des Kreises ausgestellt. Darüber hinaus betreibt der Verein ein eigenes Archiv in den Räumen der Erzbischöflichen Akademischen Bibliothek Paderborn und fördert mit Vortragsreihen, Führungen und Veröffentlichungen die historische Forschung und Vermittlung.