Postkarte „Die deutschen Retter von Courrières“
Bildquelle
Wanne-Eickel / Gelsenkirchen am 15.05.1906

Kurze Erläuterung

Deutschland und Frankreich standen sich im 19. Jahrhundert in mehreren militärischen Konflikten gegenüber. In den Koalitionskriegen gegen Napoléon und im Krieg von 1870/71 bekämpften sich Frankreich und deutsche Staaten. Auch in den Jahren dazwischen verband sie eine starke Rivalität. Deutsche Nationalist:innen wie der Dichter Ernst Moritz Arndt konstruierten die Idee einer „Erbfeindschaft“, einer fast natürlichen Rivalität zwischen Deutschen und  Franzosen. Die Erbfeindthese wurde weit in die Vergangenheit projiziert, etwa auf dem Kampf zwischen Römern und Germanen, die Teilung des Frankenreiches oder die Konkurrenz zwischen Frankreich und der Habsburgermonarchie. Die Feindschaft gegenüber Frankreich wurde Teil der deutschen Nationalbewegung. Endgültig überwunden wurde die Erbfeindschaft erst durch die Versöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg.
Das Foto ist Zeugnis einer Ausnahme dieser „Erbfeindschaft“. Am 10. März 1906 ereignete sich im nordfranzösischen Courrières das bis heute schwerste Bergwerksunglück in Europa. Auf Initiative eines Verbandsfunktionärs schickten die Zechen Shamrock (Wanne-Eickel) und Rheinelbe (Gelsenkirchen) 25 Grubenwehrmänner nach Courrières, um bei den Rettungsmaßnahmen zu helfen. Die Hilfe für die Kollegen wurde weltweit positiv aufgenommen. Im Deutschen Kaiserreich wurde der Einsatz aber propagandistisch ausgenutzt, indem die Rettungsmannschaft vom Kaiser persönlich ausgezeichnet wurde. Diese kurze Ausnahme änderte aber am angespannten Verhältnis zwischen dem Deutschen Kaiserreich und Frankreich, das wenige Jahre später in den Ersten Weltkrieg führen sollte, nichts.

Relevanz des Materials

Die auf den ersten Blick unscheinbar wirkende Fotografie erhält ihren Mehrwert durch die dahinter liegende Geschichte. Auf dem Bild sind die Grubenwehrleute der Zeche Shamrock zu sehen, die 1906 nach Courrières fuhren, um dort gemeinsam mit den Kollegen aus der Gelsenkirchener Zeche Rheinelbe bei dem Zechenunglück zu unterstützen. Mit Atemschutzgeräten konnten die deutschen Bergleute dort bei der Bergung helfen.
Die Unterstützungsaktion kann in kleinem Rahmen als Zeichen gedeutet werden, dass die konstruierte Erbfeindschaft sich nicht durch die gesamte Bevölkerung zog. Gleichzeitig erfolgte die Aktion jedoch auf das Bestreben einer Einzelperson hin, sodass hier eine ideologische Überhöhung der Taten vermieden werden sollte, auch weil sich das deutsch-französische Verhältnis durch dieses Ereignis nicht grundlegend veränderte.

Daniel Sobanski / Theresa Hiller

Lernort 

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