Kurze Erläuterung

Nach der Gründung des Deutschen Kaiserreichs 1871 „von oben“ war die Deutsche Einheit in Form einer kleindeutschen Lösung mit Preußen an der Spitze zwar politisch vollendet. Der neue Nationalstaat war aber noch keineswegs geeint. Die Unterschiede in Identität, Kultur und z.T. auch Sprache zwischen den einzelnen Reichsgebieten, z.B. zwischen Westfalen und Bayern, waren noch groß. Genauso spalteten religiöse Unterschiede zwischen Protestant:innen, Katholik:innen und Jüdinnen und Juden oder soziale Unterschiede zwischen Bürgertum und Proletariat die Gesellschaft. Die Industrialisierung und damit verbundene Urbanisierung verstärkten die trennenden Aspekte noch weiter.
Die Nation benötigte eine gemeinsame Identität und eine einigende nationale Erzählung. Als eine nationale Identifikationsfigur bot sich Reichsgründer Otto von Bismarck an. Ein regelrechter Kult um seine Person wurde bereits zu einen Lebzeiten betrieben – zum Beispiel in Form der Verleihung von Ehrenbürgerschaften. So wurde Bismarck etwa 1895 zum Bochumer Ehrenbürger ernannt. Bismarck. In der Zeit zwischen seinem Tod 1898 und 1915 wurden im ganzen Kaiserreich Türme meist aus Sandstein oder Granit als Denkmäler gebaut. In Westfalen existieren noch heute Bismarcktürme in Bad Berleburg, Bad Salzuflen, Bielefeld, Bochum, Delecke, Hagen, Hattingen, Herford, Höxter, Iserlohn, Lüdenscheid, Porta Westfalica, Rödinghausen, Tecklenburg, Unna und Vlotho. Der Bochumer Turm gilt mit seinen 33 Metern als einer der höchsten Bismarcktürme weltweit und umfasste neben dem Turm als solchen eine Feuerschale, die zu Ehren des Namenspatrons brennen sollte, sowie eine Büste Bismarcks, die heute nicht mehr dort vorhanden ist.

Relevanz des Materials

Anhand der Bismarcktürme wie der in Bochum kann diskutiert werden, wie (intendierte) Erinnerungskultur und in welche Form im öffentlich Raum umgesetzt wurde und wird. Die Bismarcktürme, wie der in Bochum, erinnern architektonisch meist an Burgen. Damit spiegeln sie baulich ihre Intention wider, da sie als bürgerliches Projekt aus einer Abwehrhaltung gegen oppositionelle Bewegungen wie die Sozialdemokratie und das Proletariat gebaut wurden.

Daniel Sobanski / Theresa Hiller

Lernort 

Als Kultur- und Bildungseinrichtung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) hat das LWL-Medienzentrum für Westfalen den dreifachen Auftrag, das audiovisuelle Erbe der Region zu sichern (Bild-, Film- und Tonarchiv), die Geschichte und Gegenwart Westfalens mediengestützt zu dokumentieren und zu vermitteln (Medienproduktion) und das Lernen in der digitalen Welt in Schulen und außerschulischer Bildung zu unterstützen (Medienbildung und -bereitstellung).

LWL-Medienzentrum für Westfalen