Kurze Erläuterung
Das Plakat wirbt für die erste größere Veranstaltung der NSDAP in der Gemeinde Senden. Dort kam die NSDAP bei der Reichstagswahl im September 1930 auf 1,3% – dies ist weitaus weniger als bei den deutschlandweiten Wahlergebnissen, die bereits im Zusammenhang mit den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise gesehen werden müssen. Generell verzeichnete die NSDAP in Westfalen im Vergleich zur restlichen Republik eine niedrigere Zustimmung. Damit war die NSDAP im Dezember 1930 in dem Ort noch immer eine Splitterpartei ohne eigene Basis – dies ist auch erkennbar daran, dass die Veranstaltung von der Ortsgruppe Lüdinghausen umgesetzt wurde. Zu den Adressat:innen der Veranstaltung zählen, wie auf dem Plakat genannt, „Arbeiter! Bauern! Mittelständler!“, und damit die hauptsächlichen Leidtragenden der Folgen der Weltwirtschaftskrise.
Der Polizeibeamte, der zur Berichterstattung bei der Veranstaltung anwesend war, verzeichnete in seinem Protokoll 186 Teilnehmende. Bei der nächsten Versammlung der NSDAP am 10. Januar 1931 war der Saal mit über 400 Teilnehmenden sogar bis auf den letzten Platz besetzt.
Relevanz des Materials
Anhand des vorliegenden Plakates können Positionen der rechtsextremen NSDAP zum Zeitpunkt vor dem Aufstieg zur Volkspartei diskutiert werden. Das Plakat agitiert eindeutig gegen den „Bürgerstaat“, also die Demokratie. So wolle man Deutschland „befreien“ und mit „freie Aussprache“ auf die freie Meinungsäußerung pochen. Argumentiert wurde mit einer historischen Verantwortung und Vorhersehung, wenn der:die Rezipient:in des Plakats direkt angesprochen wird: „für diese Aufgabe [Befreiung Deutschlands] hat die Geschichte dich ausersehen / in deine Hände ist das Schicksal des deutschen Volkes gelegt.“
Auffällig ist, dass der Fokus auf Text und weniger auf bildlichen Darstellungen liegt; durch die Gestaltung und Präsentation des Textes wird die Propagandaabsicht klar erkennbar. So kann mittels des Materials das Prinzip der Propaganda thematisiert werden.
Auch über den Zeitpunkt der Veranstaltung kann diskutiert werden, denn auffällig ist, dass die Veranstaltung um 11 Uhr an einem vierten Adventssonntag stattfindet, also wahrscheinlich nach dem Kirchgang; oder bewusst zur Gottesdienstzeit?
Es bietet sich außerdem an, einen Vergleich mit späteren Plakaten der NSDAP vorzunehmen und die Verschärfung von Ton und Positionen zu diskutieren. Somit kann der Wandel der NSDAP und die Darstellung der politischen Interessen gegenüber der Gesellschaft thematisiert werden.
Dr. Hendrik Martin Lange / Sebastian Sayn / Andrea Lorenz
Das Gemeindearchiv Senden bewahrt das schriftliche Kulturerbe in seinem Zuständigkeitsbereich. Es sichert Rechts- und Kulturgüter von hohem Wert und dient den Bedürfnissen der Gesellschaft nach historischer Information, Transparenz des Verwaltungshandelns und Rechtssicherheit.