Kurze Erläuterung
Der Schmuck aus den 1999 in Petershagen-Ilse gefundenen 19 Frauengräbern ist in mehrfacher Hinsicht besonders. Es handelt sich dabei um zwei Armringe, zwei Fußringe, sechs Schläfenringe und eine Schälchenkopfnadel, die alle um ca. 550. v. Chr. aus Bronze gefertigt wurden. Diese Art von Bronzeschmuck wurde in Westfalen allerdings gar nicht hergestellt, sondern im Gebiet des heutigen Südwestdeutschlands, der Schweiz und des Elsass. Die mit dem Schmuck Bestatteten sind demnach vermutlich als Gruppe nach Westfalen migriert. Eine weitere Besonderheit ist, dass alle Frauen Körperbestattungen erhalten haben – eine zu dieser Zeit in Westfalen unübliche Bestattungsart, wo Brandbestattungen vorherrschend waren. Daraus lässt sich ableiten, dass die als „Damen von Ilse“ bekannt gewordenen Frauen nicht nur ihren Schmuck, sondern auch ihre Rituale nach Ostwestfalen mitbrachten. Viel mehr noch: In einigen Fällen handelt es sich bei den Bestatteten um migrierte Mütter und in Ilse geborene Töchter (das belegen DNA- und Isotopen-Analysen) – die Bräuche wurden also auch über eine Generation hinweg weitergegeben. Schlussendlich ergänzten die Frauen ihren Schmuck auch um Stücke aus anderen Teilen Deutschlands und Europas. Das zeigt, dass sie Zugriff auf Fernhandelswege hatten, die in Nord-Süd-Richtung durch Westfalen verliefen. Entsprechend wird angenommen, dass es sich um Fernhändlerinnen handelte, die nach Norden gezogen sind und dort sesshaft wurden.
Relevanz des Materials
Mithilfe der Schmuckstücke aus den Frauengräbern von Petershagen-Ilse können sowohl das Thema Migration als auch die Themenbereiche Handel und Produktion erarbeitet werden. Die Andersartigkeit der Schmuckstücke lässt Rückschlüsse darauf zu, dass sich diese Frauen in ihrem äußeren Erscheinungsbild von den autochthonen Bewohner:innen Westfalens unterschieden haben. Diese Art, sich zu kleiden, hat sich vermutlich mindestens eine Generation lang erhalten. Die Grabfunde verdeutlichen zudem, dass Westfalen in ein intraeuropäisches Handelsnetz eingebunden war, das es den Menschen ermöglichte, Waren aus anderen Teilen Europas zu beziehen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass einige Kulturtechniken – in diesem Fall die Herstellung von Bronzeschmuck – in Westfalen zu dieser Zeit noch nicht gemeistert waren, können diese Objekte zeigen, wie wichtig – und weitreichend – der Handel für die Menschen der Eisenzeit war.
Markus Albuschat
Das LWL-Museum für Archäologie und Kultur – Westfälisches Landesmuseum in Herne ist das zentrale „Schaufenster“ der LWL-Archäologie für Westfalen. Dort wird die Geschichte Westfalens entlang materieller Funde von den ersten Spuren menschlicher Aktivität bis zur jüngeren Vergangenheit erzählt. Die Funde und Befunde aus Westfalen werden dabei immer auch in größeren Kontexten verortet und mithilfe von nicht archäologischen Quellen und ausgefeilten analogen wie digitalen Darstellungsformen ergänzt.
LWL-Museum für Archäologie und Kultur – Westfälisches Landesmuseum in Herne