Kurze Erläuterung

Aus Anlass der Einweihung des Neubau des Kreishauses Coesfeld am Schützenwall posierten Landrat Walter vom Hove, Kreistagsmitglieder und Behördenvertreter am Rande der feierlichen Kreistagssitzung am 26. September 1925 für ein Foto an der Treppe vorm Hauptportal. Auf dem Foto sticht zwischen den 41 korrekt gekleideten Herren, zum Teil mit Zigarre in der Hand, eine junge Frau im dunklen Kleid mit Blume heraus: Ottilie Schmäing (1891-1971). Die Lehrerin war in Lette (heute zu Coesfeld) und ab 1926 an der katholischen Lamberti-Volksschule in Coesfeld tätig. Im männerdominierten Kreistag, der 1925 aus 25 Abgeordneten bestand, war sie die einzige Frau. Die 34-Jährige gehörte, wie auch 20 weitere Abgeordnete, der Zentrumspartei an.
Darüber hinaus gab es zwei Abgeordnete der SPD, einen Abgeordneten der Bürgerlichen Liste sowie einen Vertreter der Kleinbauern, Pächter und Arbeiter. Neben dem münsterischen Regierungspräsidenten Dr. Heinrich Haslinde finden sich auch Kreisbaurat Karl Besselmann und Kreismedizinalrat Dr. Johannes Wolters auf dem Bild. In der Riege der Herren stehen außerdem Amtmänner und Ehrenamtmänner aus dem damaligen Kreis Coesfeld, wie z.B. der Halterner Amtmann Dr. Josef Rieth.
Wahrscheinlich ist der Coesfelder Karl Schleypen der Fotograf. Zwei Monate nach Entstehen der Aufnahme wurde der Kreistag am 29.11.1925 neu gewählt, so dass diese Darstellung auch als Abschiedsfoto des von 1921-1925 im Amt befindlichen Coesfelder Kreistags gelten kann.

Relevanz des Materials

Nach der Revolution 1918 galten auch für die Kreistagwahlen neue Regeln. Die preußische Regierung erließ am 18. Februar 1919 die Verordnung über die Zusammensetzung der Kreistage; das Wahlgesetz vom 7. Oktober 1925 regelte das Verfahren für die Wahlen zu den Provinziallandtagen und Kreistagen. Damit war die mittelbare Wahl der Kreisvertreter – sie wurden bis dahin aus drei wirtschaftlichen und sozialen Gruppen gewählt, nämlich den Wahlverbänden der größeren Grundbesitzer, der Städte und der aus Landgemeinden zusammengesetzten Amtsverbände – abgeschafft. Jetzt galten auch die Grundsätze der Verhältniswahl. In den Kreistag wurden dennoch fast ausschließlich Männer gewählt. Das Stadtarchiv Coesfeld hat eine didaktische Handreichung zum Thema „Wahlen der Weimarer Republik in Coesfeld (1919-1933)“ veröffentlicht, hierin wird auch das Foto thematisiert.

Dr. Hendrik Martin Lange

Lernort 

Das Kreisarchiv Coesfeld ist, verglichen etwa mit den historischen Stadtarchiven eine sehr junge Einrichtung. Seit 1986 werden alle Dokumente, die in irgendeiner Weise für die Geschichte des Kreises Coesfeld interessant sind, archiviert, d.h. inhaltlich erschlossen und nach bestimmten Kriterien geordnet. Sachgerecht verpackt und gelagert steht das Archivgut dann für Anfragen aus den verschiedenen Ämtern der Verwaltung und der Öffentlichkeit zur Verfügung.
Zum Archivgut zählen in erster Linie die bei der Kreisverwaltung Coesfeld (und bis 1975 bei der Kreisverwaltung Lüdinghausen) seit 1946 erwachsenen Akten, die zum Teil wichtige historische Ereignisse widerspiegeln. Bestände aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts liegen im Kreisarchiv nur vereinzelt vor.

Kreisarchiv Coesfeld