Kurze Erläuterung

Die Domkammer in Münster besitzt mit diesem goldenen Reliquienkreuz eines der ältesten und schönsten Altarkreuze in Europa. Es wurde in der 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts im „westdeutschen“ Raum hergestellt. Der Künstler nutzte dabei als Fuß einen Bergkristall, der schon im 9./10. Jahrhundert im abbasidischen Reich zu einer Schachfigur bearbeitet wurde. Der Schachstein (5,4 cm hoch) aus dem islamischen Kulturkreis wird beim christlichen Kreuz (17,2 cm hoch) zum Berg Golgatha. Ein weiterer außerchristlicher Bestandteil ist die Smaragd-Gemme. Der Edelstein ist wohl antik-römischen Ursprungs (1. Jahrhundert nach Christus) und zeigt Minerva, u.a. die Göttin der Weisheit.
Die zahlreichen Edelsteine drücken nicht nur die die materielle Bedeutung des Kreuzes aus, sondern sind als Allegorie zu lesen. Farben und Anzahl weisen auf die Einzigkeit Gottes und die Wiederkunft Christi hin.

Relevanz des Materials

Die Abbasiden herrschten vom 8. bis zum 13. Jahrhundert über weite Teil Nordafrikas und des Nahen Ostens. Während ihrer Herrschaft gab es große Weiterentwicklungen in Kunst und Wissenschaft. Durch die Eroberung Bagdads durch die Mongolen wurde das Kalifat 1258 beendet. Schon vor den Kreuzzügen gelangten islamische Kunstschätze über die Handelswege oder als diplomatische Geschenke nach Europa. In Europa konnte man gerade diese Bergkristallobjekte, wie den Fuß des Reliquienkreuzes, technisch noch nicht herstellen. Entsprechend wertvoll waren diese Kunstwerke und wurden oft für christliche Kultgegenstände, wie einem Reliquiar umgearbeitet.
Das Reliquienkreuz verdeutlicht also, wie Kunstwerke aus islamischem Kontext im christlichen Kulturraum umgearbeitet wurden und somit mit einer ganz anderen Bedeutung aufgeladen wurden. Die Schachfigur ist auch ein Beleg für die Freizeitgestaltung und Spielkultur des Orients, die auch Einfluss auf die höfische Kultur Europas ausübte. Aus dem islamischen Kulturkreis fand das Schachspiel den Weg nach Europa und war spätestens im 13. Jahrhundert fest etabliert bei Adeligen und Rittern.

Dr. Hendrik Martin Lange

Lernort 

Die Domkammer Münster beherbergt über 700 Exponate unterschiedlicher Gattungen, die die wechselvolle Geschichte der Liturgie und der Kunst des Domes veranschaulichen.
Das Museum ist im Moment geschlossen und die Kunstgegenstände sind in einem Lager verwahrt oder ausgeliehen zu Ausstellungen.

Domkammer Münster