Kokosnussreliquiar
Sachquelle
Münster um 1230-1250

Kurze Erläuterung

Die polierte Kokosnuss dient als Reliquienbehälter (1622 waren es eine Kreuzreliquie und 47 weitere Reliquien). Die Kokosnuss war im Mittelalter eine exotische Frucht in Westfalen. Genauso bemerkenswert ist aber die abbasidische Bergkristallfigur obenauf, die ursprünglich ein Löwe war und zu einem Lamm Gottes umgearbeitet wurde.
Das Kokosnussreliquiar gilt als das älteste erhaltene seiner Art. Es veranschaulicht die Umnutzung von exotischen Objekten in der abendländischen Schatzkunst des Mittelalters.
Die Bergkristallfigur wurde vermutlich im 9./10. Jahrhundert im Reich der islamischen Abbasiden, einer Dynastie, die über weite Teile Nordafrikas und des Nahen Ostens herrschte, geschaffen. Die Umarbeitung der Figur und Schaffung des Kokosnussreliquiars (Höhe: 27,5 cm, Durchmesser: 11,1 cm) erfolgte wahrscheinlich in Westfalen in der Zeit um 1230/1250.

Relevanz des Materials

Die Abbasiden herrschten vom 8. bis zum 13. Jahrhundert über weite Teil Nordafrikas und des Nahen Ostens. Während ihrer Herrschaft gab es große Weiterentwicklungen in Kunst und Wissenschaft. Durch die Eroberung Bagdads durch die Mongolen wurde das Kalifat 1258 beendet. Schon vor den Kreuzzügen gelangten islamische Kunstschätze über die Handelswege oder als diplomatische Geschenke nach Europa. In Europa konnte man gerade diese Bergkristallobjekte, wie die Figur auf dem Kokosnussreliquiar, technisch noch nicht herstellen. Entsprechend wertvoll waren diese Kunstwerke und wurden oft für christliche Kultgegenstände, wie einem Reliquiar, umgearbeitet.
Das Reliquiar verdeutlicht also, wie Kunstwerke aus islamischen Kontext im christlichen Kulturraum umgearbeitet wurden und somit mit einer ganz anderen Bedeutung aufgeladen wurden.

Dr. Hendrik Martin Lange

Lernort 

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