Kurze Erläuterung
Im Jahr 1795, mitten im Ersten Koalitionskrieg (1792–1797), befand sich Europa in einem Zustand ständiger militärischer Auseinandersetzungen. In Folge der Französischen Revolution befürchteten europäische Herrscher wie König Leopold von Österreich und König Friedrich Wilhelm II. von Preußen, dass die Ideen der Revolutionsbewegung in Frankreich auf ihre Länder übergreifen und ihre monarchische Macht gefährden könnten. So bekundeten die beiden Staatsoberhäupter ihre Unterstützung für den französischen Monarchen König Ludwig XVI, woraufhin die französische Nationalversammlung Österreich am 20. April 1792 den Krieg erklärte. Ungefähr zwei Monate später folgte die Kriegserklärung an Preußen und im Jahr 1793 schlossen sich Großbritannien, die Niederlande und das Heilige Römische Reich dem Bündnis gegen Frankreich an.
Aufgrund seiner geografischen Lage war das damals zum Heiligen Römischen Reich gehörende Fürstbistum Münster ein zentrales militärisches Durchzugsgebiet sowie Zufluchtsort für zahlreiche französische Geflüchtete der Revolution. Die unmittelbaren Auswirkungen des Krieges auf den Alltag in Münster lassen sich am Beispiel des Münzwesens durch die vorliegende Quelle belegen. Wenngleich es im Heiligen Römischen Reich kein einheitliches Währungssystem, sondern eine eher unübersichtliche regionale Vielfalt von Münzen und ein dezentrales Prägerecht zahlreicher Herrscher gab, führte der Durchzug der Truppen der Koalition zu einer zunehmenden Verunsicherung in Bezug auf den Wert des „fremden“ zirkulierenden Geldes, das die Soldaten, Geflüchteten und Handelsleute mit sich trugen.
Relevanz des Materials
Das Schreiben der Landesregierung von Münster vom 19. März 1795, stellt den Versuch dar, eine einheitliche Regelung im Umgang mit den als „fremd“ betrachteten Münzen zu schaffen. Ziel war es eine Art „Wechselkurs“ festzulegen, um den Wert von Münzen aus Brabant (heute Niederlande/Belgien), Spanien oder Preußen im Vergleich zum münsterischen Geld zu bestimmen. Dies sollte die Integration ausländischer Währungen und den Handel erleichtern. Zudem diente die Bestimmung dazu, eine gewisse Stabilität im Wirtschafts- und Finanzwesen herzustellen, auch wenn die festgelegten Umrechnungskurse keine verbindliche Wirkung auf alle Handelsbeziehungen hatten, sondern nur der Orientierung dienten.
Das Material bietet somit vielseitige didaktische Anknüpfungspunkte. Die Quelle ermöglicht eine Diskussion der Bedeutung eines einheitlichen Währungssystems, damals wie heute. Welche Vor- und Nachteile, welche wirtschaftlichen Stabilisierungen oder Ungleichheiten ergeben sich aus einer Vereinheitlichung der Währung? Und was lässt sich anhand eines Wechselkurses über die Beziehung der kursbestimmenden und der betroffenen Parteien ablesen? Mit einem Vergleich zur gegenwärtigen Währungsunion innerhalb der Europäischen Union kann zudem ein konkreter Gegenwartsbezug hergestellt werden.
Elisa Gernert
Das LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte ist eine wissenschaftliche Einrichtung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL). Es betreibt moderne Regionalgeschichtsforschung mit dem Schwerpunkt auf der Neueren Geschichte und Zeitgeschichte. Mit dieser Ausrichtung ist das Institut eine Besonderheit: Es ist die einzige Einrichtung, die sich in kommunaler Trägerschaft der Erforschung des 19., 20. und 21. Jahrhunderts widmet. Neben der eigenen wissenschaftlichen Tätigkeit fördert es externe Arbeiten und bietet Historiker:innen sowie der interessierten Öffentlichkeit Publikationen, Veranstaltungen und Serviceleistungen an.