Kurze Erläuterung

Nach 1225 entstanden die Reliefs über den Türstürzen im St. Paulus-Dom zu Münster. Auf dem Foto sieht man links die Anbetung der heiligen drei Könige, in der Mitte die thronende Gottesmutter Maria mit dem Jesuskind und rechts daneben die Beschneidung Jesu (wie in jüdischer Tradition üblich). Ursprünglich waren die Reliefs wohl Teile eines Altars im Dom, der durch die Wiedertäufer (1534) zerstört wurde. Erst danach wurden sie im Paradies (Vorhalle) als Türstürze der Portale eingesetzt. Beachtung verdient besonders die Madonnenfigur in der Mitte. Sie ist etwa 70 Zentimeter hoch und befindet sich in vier Meter Höhe. Bei genauerem Blick erkennt man unten am Relief zwei leicht verwitterte Figuren, einen Juden (links, erkennbar an seinem spitzen Hut) und einen Heiden (rechts). Beide werden von den Füßen der Maria zu Boden gedrückt, ihre Gliedmaßen sind verrenkt. Das Christentum wird als die siegreiche Religion dargestellt. Seit dem 4. Laterankonzil von 1215 waren Juden verpflichtet, sich durch das Tragen eines bestimmten Ringes oder Hutes als Angehörige des alten Glaubens zu erkennen zu geben. Diese antisemitische Ausgrenzung ist bis heute in der Skulptur der münsterischen Kathedralkirche zu sehen.

Relevanz des Materials

In Kirchen findet man bis heute judenfeindliche Darstellungen aus verschiedenen Epochen. Auch die Romanik kannte polemische Kunstwerke, wie die Judensau oder die Muttergottes, die Juden und Heiden (Nicht-Christen) mit Füßen zertritt. Die Madonnenfigur im Dom zu Münster erregte 2018 die Gemüter und es kam zu einer kritischen Auseinandersetzung: https://www.domradio.de/artikel/anti-juedische-figur-im-muensteraner-dom-entdeckt. Man muss vor Ort schon genau hinsehen, um die Details zu erkennen. In Kirchen und Museen findet man jedoch nicht nur antijüdische Kunstwerke, sondern auch Objekte, die das Judentum wertschätzen. Vielfach werden Szenen und Motive aus dem Alten Testament aufgenommen und in Beziehung zum Neuen Testament bzw. zur christlichen Religiosität gesetzt. Leider kann man aber dabei in vielen Fällen von einer Vereinnahmung sprechen.

Dr. Hendrik Martin Lange

Lernort 

Der St.-Paulus-Dom zu Münster ist ein Gesamtkunstwerk: die Kathedralkirche des Bistums Münster besticht nicht nur durch ihre Architektur, sondern auch durch all die abbildenden Künste, die durch die Jahrhunderte hindurch hier im Dienste der Liturgie standen und immer noch stehen. Alle Kunst dient im Letzten so der Verherrlichung Gottes: All die Werke der Architekten, Steinmetze und Bildhauer, Holzschnitzer, Wand- und Glasmaler, Tafelmaler, Gold- und Silberschmiede, Seiden-, Leinen- und Bortenweber, Orgelbauer und Musiker, Glockengießer und Kunstschmiede.

Die Kunstepochen des Domes umfassen eine Zeitspanne von 1200 Jahren, von 800 bis 2000, davon gehören 700 Jahre dem Mittelalter, 300 Jahre der Neuzeit und 200 Jahre dem „technischen Zeitalter“, also der Zeit „unserer Väter“ und unserer eigenen Zeit, wie Géza Jászai in dem Buch „Der Dom zu Münster und seine Kunstschätze“ (Dialogverlag Münster, 2000) erläutert.

St. Paulus Dom Münster